Straubinger in der Münchner Ausstellung

[34] Da komm ich eines Tages in

Die Indurstie-Ausstellung,

Man hat mir g'sagt, es sei dadrin

Die Handwerks-Kunst-Vermählung,

Ich stell mich an den Springbrunn gleich

Und laß mich feucht bestäuben,

Da wird mir's Herz so windelweich,

Ich kann nicht länger bleiben.


Und an die Decke schauet' ich,

Das Glas mir zu betrachten,

Da meint ein Frauenzimmerlich

Ich thät nach ihro schmachten;

Nun zieht sie sich zurück sogleich

Vor meinen Zeitvertreiben,

Da wird mir, ach, das Herz so weich,

Ich kann nicht länger bleiben.
[34]

Drauf stell' ich vor ein Erzbildniß

Mich hin mit Wohlgefallen:

Das ist ein großer Herr gewiß,

Denn Schuh' hat er mit Schnallen!

Nur ist er selbst schon eine Leich',

Wie mir's die Leut beschreiben,

Da wird das Herz mir grausam weich,

Ich kann nicht länger bleiben.


Und plötzlich riecht es gar so schön

Als wie im Kümmelladen,

Doch muß ich mit Betrübniß sehn,

Es sind ja nur Pommaden,

Und lauter so versalbtes Zeuch,

Den Kopf sich einzureiben,

Da wird mir's Herz so butterweich,

Ich kann nicht länger bleiben.


Daneben duftet in die Höh,

Zu meinigem Erstaunen,

Ein Obelisk von Sa-ifö,

O tolle Handwerkslaunen!

Ich glaubt ich muß mich allsogleich

Vor Schamgefühl entleiben,

Da wird mir doch das Herze weich,

Ich kann nicht länger bleiben.


Drauf sah ich mich zu meinem Schreck

Verkehrt in einem Spiegel,

Und steh mit meinem Hemd voll Speck

Vor ausgestopftem Gflügel.

Ein Eulennest, o denket euch,

Zum Hut sich anzutreiben!

Da wird mir auch das Herz so weich,

Ich kann nicht länger bleiben.
[35]

O Himmelheiligsakrament

Was Kutschen und was Schäsen!

Ach, daß ich drein mich setzen könnt'

Mit einem zarten Wesen!

Meineidiglich wollt' ich sogleich

Die Gäul verhaun, die Kaiben,

Da wird das Herz mir windelweich,

Ich kann nicht länger bleiben.


Drauf thu ich auf der Gallerie

Mit Frohsinn um mich grinsen,

Entdeckend einen Parablie

Noch dünner als zwei Binsen;

Mit solchem Angebinde reich

Möcht ich mich flugs beweiben,

Da wird mir's Herz so weich, so weich,

Ich kann nicht länger bleiben.


Und wie ich ganz herunterkam,

Stand ich vor den Maschienen,

Woselbst ich eine Prise nahm,

Den Scharfsinn zu bedienen.

Ein schiergar menschliches Gekeuch

Thät da mich übertäuben,

Da wird mir, ach, das Herz so weich,

Ich kann nicht länger bleiben.


Nun bleib' ich leidenschaftlich stehn

Vor einem Gegenstande,

Den ich mit Rührung stets besehn

In jedem Vaterlande;

Rindsleder ist es ohne Gleich,

Man kann's nicht weiter treiben,

Da wird das Herz mir lederweich,

Ich kannn nicht länger bleiben.
[36]

Ich hätte an der Einrichtung

Zwar Vieles auszusetzen,

Wollt' ich mir meine arme Lung'

Schnell aus dem Leibe schwätzen,

Doch ist es besser, daß ich schweig,

Als so mich aufzureiben,

Mein Herz wird ohnehin zu weich,

Ich kann nicht länger bleiben.


Nur Eines kann ich, glaub' ich als,

Im Busen nicht vergraben,

Die Saul von Seif und die von Salz,

Die möcht' ich anders haben;

Die beiden möchte ich sogleich

Hoch übereinander steibern,

Da wird das Herz mir sterbensweich,

Ich kann nicht länger bleiben.


Vermissen muß ich aber hier

Auch menschliche Getränke,

Denn Spritt ist doch kein bayrisch Bier,

Um das ich viel mich kränke;

Von diesem indurstielen Zweig

Kann leider ich nichts schreiben,

Da wird das Herz mir windelweich,

Ich kann nicht länger bleiben.


Auch zweifl' ich, ob vom Handwerksburst

Der Eintrittspreis gelobt wird,

Indem man so mit Schnaps und Wurst

Beim größten Durst gefoppt wird.

Wenn lüstern ich vorüber schleich'

An Gitterwerk und Scheiben,

Da wird mir's Herz so schmählich weich,

Ich kann nicht länger bleiben.
[37]

Dem hintern Winkel aber darf

Mein Lob ich nicht versagen,

Wo ein Klavier und eine Harf'

Ich höre schandbar schlagen,

Mit einem Weibsbild tanz' ich gleich,

Herum trotz allem Sträuben,

Da wird mir's Herz wie Brei so weich,

Ich kann nicht länger bleiben.


Z'letzt wie ich so vergaffe mich

In Bilder auf Geschirren,

Da stolpr' ich elend hintersich

Und höre sakrisch klirren;

Ich bin aus meinem Himmelreich

Gefallen durch die Scheiben,

Da wird mir's Herz verzweifelt weich,

Ich kann nicht länger bleiben. -


Doch eh' man meiner habhaft ward,

War ich schon weit vom Schusse,

Und zeigte Geistesgegenwart

Mit einem Liebenskusse;

Den gab ich mir nichts dir nichts gleich

Der Bäbi vor der Kneipen,

Da ward mir auch das Herze so weich,

Und ich beschloß zu bleiben.


Quelle:
Ludwig Eichrodt: Lyrischer Kehraus. Lahr 1869, S. 34-38.
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